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Schuldig? Das Leiden der Täter ist Antisemitismus
von Mike Hartwig


Meine Damen und Herren,

ein Amerikaner, ein Engländer und ein Israeli sind gefangen worden von Menschenfressern. Deren Häuptling gewährt ihnen (als der Topf mit Wasser, in dem die drei gefesselt stehen, warm zu werden beginnt) jeweils einen Wunsch. Der Amerikaner möchte vor dem Sterben noch eine kubanische Zigarre rauchen, was ihm gewährt wird. Dem Engländer wird noch ein Tee bewilligt. Der Israeli bittet darum, sich ein letztes Mal am Ohr kratzen zu dürfen. Der Wunsch löst zwar allgemeines Befremden bei allen Beteiligten aus, wird aber ebenfalls gewährt. Der Israeli zieht aus seinem Ohr die neueste Errungenschaft israelischer Militärtechnologie (eine Miniaturmaschinenpistole) und befreit damit sich und Amerikaner und Engländer. “Warum musstest Du so lange warten? Ich werde nun die nächsten Wochen wegen all der Brandblasen nicht sitzen können”, beschwert sich der Amerikaner später. Der Israeli antwortet: “Ich wollte nicht, dass wir Israelis schon wieder von der ganzen Welt als Aggressoren bezeichnet werden.”

Darüber gibt es nun wirklich nichts zu lachen. Das Lachen bleibt einem im Halse stecken, wenn man realisiert, dass die Welt den größten Feind des Weltfriedens in Israel erkennen zu meinen glaubt. Ich verwende hier bewusst diese etwas umständliche Formulierung, weil sie (betrachtet man sie genauer) sehr deutlich macht, was wirklich passiert. Es geht um Meinung, Glauben, Halbwissen, Projektion und immer gegen Aufklärung.

Heute will niemand mehr wissen, das aber wäre Aufklärung, welche ökonomischen Gesetze kapitalistischer Warenproduktion das Denken und Handeln der Menschen immer totaler bestimmen. In Israel so wenig wie in den USA, nicht in Deutschland, nicht in Russland und in China schon gar nicht. Letztere haben dort all den Plastik- und Elektroschrott zu produzieren, der wenig später auf den Müllhalden der Welt besichtigt werden kann.

Wenn ich Israel gleichsetze mit all den anderen oben genannten Staaten, werden möglicherweise einige von Ihnen anmerken wollen, dass Israel Besonderheiten aufzuweisen hat, auch dass Chinas Warenproduktion noch immer von Kommunisten gelenkt wird und dass Russland eher eine Diktatur als eine Demokratie ist, usw., usf. Alles geschenkt.

Alle genannten Länder sind Waren produzierende, oder besser gesagt Kapital akkumulierende. Dem Kapital aber ist es schnuppe, wie seine Akkumulation garantiert wird. Manchmal ist Demokratie besser, manchmal muss es eben eher eine Diktatur sein. Ja, Sie haben insofern recht, als das Israel ein jüdischer Staat ist, der aber nicht selber definieren kann, wer Bürger sein darf. Der Witz dabei ist, dass bestimmen darf, wer Jude ist, der möglicherweise den Staat Israel ablehnt, weil erst mit dem Kommen des Messias der Staat der Juden existieren darf. Glaubensfragen, über die der Materialist nur lachen kann. Dass die letzten Überlebenden von Auschwitz heute für ein bisschen mehr Geld zum Leben in Israel demonstrieren müssen, zeigt, welch normal postbürgerliches Land Israel auch ist: kalt und berechnend, aber nicht zum Lachen. Den arabischen Israelis sind all diese Probleme nebensächlich. Sie sind Minorität und Bürger zweiter Klasse und wehren sich gegen diese Tatsache mit erhöhter Fortpflanzungsaktivität. (Es müsste jemand versuchen ihnen zu erklären, dass auch die Tatsache, dass sie demnächst Majorität sein werden, nichts am Dasein als Bürger zweiter Klasse ändern wird – aber wer beraubt andere schon gern ihrer Illusionen) Sie werden sowieso einigermaßen loyal gegenüber dem Staat bleiben, solange ihnen dieser garantieren kann, dass Bürger zweiter Klasse in Israel zu sein immer noch viel besser ist, als gar nichts zu sein in einem der Länder um Israel herum. Diese arabischen Länder sind ein Phänomen, das für den neuen Antisemitismus in der Welt eine immer größere Bedeutung gewinnt. Es ist die Rolle des David, die die Araber mittlerweile zur Perfektion entwickelt haben. Und alle underdogs dieser Welt und alle die, die fürchten solche zu werden projizieren ihre Hoffnungen auf ein archaisches, arbeitsreiches Leben auf die arabische Welt und ihren Hass gegen die kapitalistischen Zumutungen des Warentauschs auf Goliath Israel. Es entspricht dem modernen antisemitischen Wahn, dass David und Goliath verkehrt herum zugeordnet werden.

“Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker”, heißt eine alte Parole der Linken, die seit dem 6-Tage-Krieg besonders mit dem Volk der Palästinenser verbunden wird (vielleicht sogar damals entstanden ist). Nun, alle Völker dieser Welt sind Lachnummern, die Palästinenser aber eine besondere. Sie wurden erfunden von den Arabern, die einen Prügelknaben brauchten, weil sie unfähig waren (und glücklicherweise immer noch sind), ihren erklärten Feind Israel militärisch zu bezwingen. Letztlich sind die Palästinenser der Araber Ersatzjuden. Aber eben nicht deshalb weil heute die Juden den Palästinensern angeblich das antun, was die Nazis ihnen antaten. Dies kolportieren seit Jahrzehnten linke wie rechte Antisemiten und sind damit in den areas der Ideologieproduktion erfolgreich. Sondern deshalb, weil die Araber sich einen “Juden” basteln mussten, der ihnen antisemitische Triebbefriedigung ermöglicht, weil dieser Jude so schwach ist, wie er laut Stereotyp zwar nicht zu sein hat, aber wie der Antisemit ihn sich wünscht.

Weil das Leben der Antisemiten ausgefüllt ist mit Tätigkeiten wie der Abwehr der Realität und dem Konstruieren von Wahrheiten, die zwar so nicht im Entferntesten existieren, aber ihnen ihr psychisches Gleichgewicht erhalten, erscheint ihnen das Konstrukt palästinensisches Volk als Ejakulation Gottes. Anderswo auf der Welt können Menschen sich schlimme Dinge antun, sich zu Tode quälen, Frauen vergewaltigen, Kinder in Kriege schicken, Homosexuelle steinigen, Frauen ihre Klitoris wegschneiden oder Massenmorde durchführen; den Antisemiten ist all das einerlei. Sie fühlen sich solidarisch mit den Palästinensern. Dass diese überwiegend von Arabern unterdrückt, ghettoisiert, gefoltert und massakriert werden, ist den Antisemiten Beweis für Israels, oder “des” Juden Perfidie. Hatte nicht die jüdische Weltverschwörung die Vereinten Nationen dazu gebracht, ein unwirtliches Fleckchen Erde zu teilen und die Hälfte den Juden zu geben, die behaupteten, ihrer 6 Millionen seien vor kurzer Zeit in Europa ermordet worden? Hatten nicht die jüdischen agent provocateurs in der arabischen Welt für einen ersten Krieg gegen den jungen Staat Israel geworben, wohl wissend, dass die Angreifer in einen furchtbaren jüdischen Karabinerhinterhalt laufen würden? Vom 6-Tage-Krieg ganz zu schweigen. Typische jüdische Schlauheit und Hinterhältigkeit war das damals 1967, als die Juden gar nicht warten konnten, bis es los geht, sondern die armen Araber militärisch besiegten, bevor diese die Juden ins Meer treiben konnten. Doch genug der Ironie.

Etlichen Palästinensern ist vor, während und nach der Gründung des Staates Israel Unrecht geschehen. Wenn heute die Nachfahren der Vertriebenen und Ermordeten aus der Tatsache, dass vertrieben und gemordet wurde, ein Recht auf alles Unmögliche ableiten zu können meinen, ist das nicht minder töricht und politisch naiv als würde ein Nachfahre eines englischen Landarbeiters aus dem 17. Jahrhundert heute Wiedergutmachung fordern für die Vertreibung seiner Vorfahren vom Lande um den riesigen Schafherden der Wollindustrie Platz zu machen. Nation building war und ist eine blutige Angelegenheit. Doch lassen Sie mich versuchen mit Hilfe eines kurzen historischen Abriss´ des Antisemitismus den Wahn sichtbar zu machen, der die Menschen treibt, seit Herrschaft völlig unpersönlich und die Beziehungen der Menschen untereinander rein dingliche sind, vom Warentausch beherrschte. Um hier nicht missverstanden zu werden: Kapitalismus ist eine feine Sache, wenn es darum geht, Menschen aus überkommenen, archaischen oder feudalen Herrschaftsstrukturen zu befreien. Kapitalismus räumt mit einer Gründlichkeit die Welt auf und bringt dabei die Aufklärung zu den in Unwissenheit gehaltenen Menschen, wie Moses die Gesetzestafeln vom Berge brachte. Nichts anderes wird länger akzeptiert, kein Hokuspokus wird mehr ernstgenommen. Bis Aufklärung umschlägt in Barbarei, weil die gesellschaftlichen Verhältnisse, die die Aufklärung ermöglichen, gleichzeitig den Verzicht unmittelbarer Triebbefriedigung verlangen. Schon Odysseus wusste ein Lied davon zu singen, bzw. ließ er sich knebeln, um das Lied nicht zu singen. Der in den Individuen verinnerlichte Zwang, vom Kapital als eben diesem gesellschaftlichen Verhältnis zur Perfektion gebracht, verlangt nach äußerlichem, braucht die Nation, die wiederum das Volk benötigt, das zu konstruieren ist ex negativo. Niemand bisher hat auch nur eine wenigstens leidliche Definition vom Begriff Volk geliefert. Ein Volk bestimmt sich über die Ausgrenzung von Anderen, denen all die negativen Eigenschaften zugeschrieben werden, die man an sich nicht wahrhaben will. Shakespeare brauchte die Figur des Shylock dafür obwohl es in England seit Jahrhunderten keine Juden mehr gab. Ein schönes Beispiel für Antisemitismus ohne Juden.

Shakespeares Analyse der bürgerlichen Individuen, deren Beziehungen vollkommen in einer Kosten-Nutzen Analyse aufgehen, also verdinglichte sind, ist nur durch die antisemitische Figur des Shylock in dieser Deutlichkeit möglich gewesen. Als Shakespeare versuchte, nicht die feudalen, sondern die bürgerlichen Verhältnisse zu dramatisieren, muss er geahnt haben, dass die neuen unpersönlichen Herrschaftsverhältnisse gänzlich undramatische sind. Shylock war die Rettung. Die Konstruktion des Geldjuden als die dunkle Seite Antonios rettet das Drama, der lüsterne Jude ist´s, der uns zwingt, notfalls alles zu tun, damit unser Kapital wächst oder wenigstens nicht zerrinnt wie Sand zwischen unseren Fingern. Das Dilemma der Bürger ist schon erkennbar, bevor diese die politische Macht erringen können. In Deutschland schlug dem Bürger Fichte die ökonomisierung der zwischenmenschlichen Beziehungen schwer auf den Magen. Dass die Ergebnisse geistiger Arbeit wie die jeder anderen auch auf dem Markt zu tauschen seien, brachte ihn schnurstracks auf die Idee es müssten die Juden mit ihrem besonderen Geist sein, die für alles, was deutschem Ideal widerspricht, verantwortlich zu machen sind: „Menschenrechte müssen sie haben, ob sie gleich uns dieselben nicht zugestehen; denn sie sind Menschen (...) Aber ihnen Bürgerrechte zu geben, dazu sehe ich wenigstens kein Mittel, als das, in einer Nacht ihnen allen die Köpfe abzuschneiden, und andere aufzusetzen, in denen auch nicht eine jüdische Idee sei.“ Mit dieser Wahnvorstellung von den spezifisch jüdischen Ideen war Fichte in diesem Fall der Stichwortgeber für alle nachfolgenden Generationen von Antisemiten. War es nicht der Jude selber, der die Presse verseuchte mit jüdischen Gedanken, war sie zumindest beeinflusst von jüdischen Anzeigenkunden.

Der nächste in der Ahnengalerie der Antisemiten sah den jüdischen Geist besonders in der Musik: “Wir werden erkennen, dass die menschliche Gesellschaft durch die Tätigkeit ihrer Glieder, nicht aber durch die vermeinte Tätigkeit des Geldes erhalten wird”, referiert Richard Wagner am 15. Juni 1848 vor dem Dresdner Vaterlandsverein. Die Trennung von gutem schaffendem und schlechtem raffenden Kapital, ein typischer antisemitischer Reflex, ist hier bereits zu erkennen. Der Antikapitalismus Wagners verbindet sich mit sozialistischer Utopie: “...wie ein böser Alp wird dieser dämonische Begriff des Geldes von uns weichen mit all seinem scheußlichen Gefolge von öffentlichem und privatem Wucher, Papiergaunereien, Zinsen und Bankiersspeculationen. Das wird die volle Emanzipation des Menschengeschlechts, das wird die Erfüllung der reinen Christuslehre sein.” Dass dieser Sozialismus ein völkischer sein muss, wird deutlich, wenn man Wagners sogenannte Revolutionsschriften liest. In “Die Kunst und die Revolution” baut Wagner “den erhabensten Lehrern der Menschheit” (Jesus und Apollon) einen “Altar der Zukunft”. Die Erhabenen seien jedoch vom Mammon unterworfen. Wer mit Mammon gemeint ist erzählt die zweite Revolutionsschrift “Das Kunstwerk der Zukunft”. Wagner spricht vom “jüdisch modernen Utilismus” als Gegensatz zum griechischen Ideal der vermenschlichten Natur. Geld und Egoismus seien das Wesen des Jüdischen, deshalb sind auch begabte Juden unfähig zur Schaffung neuer Formen. Dafür bedarf es des Volkes als “bedingende(r) Kraft für das Kunstwerk”.

Erst 1850 erscheint die dritte Revolutionsschrift Wagners “Das Judenthum in der Musik”. Ich schenke mir hier die Analyse. Es wurde alles dazu schon gesagt. Rose aber hat nachgewiesen, dass diese Schrift, die in weiten Teilen dem nationalsozialistischen “Stürmer” zur Ehre gereicht hätte, keine nachrevolutionäre gewesen ist, wie Wagner-Apologeten in aller Welt immer wieder behaupten. Sie gehört vielmehr zur deutschen Revolution von 1848, die wesentlich eine völkische und antisemitische war. Und Wagner war schon damals ein wichtiger Vertreter des “Jungen Deutschland”. Ein anderer war Heinrich Laube, auf dessen Einleitung zu dem Theaterstück “Struensee” Wagners Schrift rekurriert. Laube entwickelt 1847 einen romantischen Gedanken am Beispiel von Berthold Auerbach (Moses Baruch), dem die “Selbstemanziption” – also die Deutschwerdung – durch harte Opfer in der “keuschen Einsamkeit des Landlebens” und eben nicht “in der Lungerei des Kaffeehaus- und Börsentreibens” gelungen sei. Hier ist genau der Übergang zwischen christlichem Antijudaismus (mit seiner Möglichkeit zu konvertieren) und dem Antisemitismus, der Juden als Gegenrasse abstempelt, auszumachen. Es geht nicht mehr um Religion und noch nicht um generellen Ausschluss aus der Gesellschaft. Aber auch hier schon wird der Gegensatz von guter Tätigkeit auf der germanischen Ur-Scholle und dem parasitären Treiben in der jüdisch-kapitalistischen Stadt konstruiert.

1849 spricht Wagner in seinem “Wibelungen-Aufsatz” von den arischen Wurzeln des Christentums und schließt damit die Tür. Ab jetzt ist der Rassen-Antisemitismus Dreh- und Angelpunkt von Wagners Wahnsinn. (Dass es daneben immer wieder das musikalische Genie Wagner gab und wie das Eine mit dem Anderen zusammenhängt, hat einer, der sehr viel sowohl von Musik und ihrer Theorie als auch vom antisemitischen Wahn verstand, analysiert. Wen es interessiert, sei Adornos “Versuch über Wagner” empfohlen)

Im “Siegfried”, und damit sei die kleine Exkursion in Wagners Wahn beendet, wird Wagners antisemitische Gesinnung als individuelle Idiosynkrasie deutlich. “Sie stiftet den Wagnerschen Humor”, dessen Geheimnis ist, “daß er wie gegen die Opfer so gegen sich selber sich kehrt”, analysiert Adorno.

Welchen Einfluss der spätere Bayreuther Kreis von Wagners Anhängern hatte, zu einer Zeit nach der politischen und rechtlichen Gleichstellung der Juden, nach der Gründung des Deutschen Kaiserreiches ohne Revolution, dem Gründerzeitkrach, dem Aufkommen aller nur erdenklichen Formen des politischen Antisemitismus, macht die spätere personelle Verflechtung mit einem der einflussreichsten Think-Tanks (würde man es heute nennen), dem Alldeutschen Verband deutlich.

Heinrich Claß wurde 1908 dessen Präsident. Waren vorher in diesem erlauchten Club der Reaktionäre immer wieder einmal antisemitische Töne zu hören, wurden diese unter Claß´ Führung zu seinem Markenzeichen. Der Alldeutsche Verband wurde maßgeblich von Großindustriellen unterstützt (Krupp) und hatte seine Mitglieder gewonnen aus dem Mittelstand und dem Bildungsbürgertum, welches für die Verbreitung von Claß´ ”Kaiserbuch” (die ersten Ausgaben 1912 ff wurden unter dem Titel “Wenn ich der Kaiser wär´” unter dem Pseudonym Daniel Frymann veröffentlicht) maßgeblich war. Claß´ Buch ist die Quintessenz antisemitischer Bemühungen um politischen Einfluss. Einige der wichtigsten Schlagworte werden sich bei den Nationalsozialisten wiederfinden lassen: “Volk ohne Raum”, Slawen sind “volksfremd” und nicht der Menschheit zuzurechnen, “deutsche Scholle” statt “verjudete” Stadt, “Zersetzung des deutschen Volkes” durch den “jüdischen Geist”. Wie bei Wagner, in H.S. Chamberlains “Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts”, in Wilhelm Marrs “Der Sieg des Judenthums über das Germanenthum” ist auch bei Heinrich Claß ein weinerlicher, völkischer Populismus unverkennbar, mit dem Tenor, die Deutschen sind die Opfer der Juden, weil sie unterwandert und vom jüdischen Geist geprägt worden seien. (Noch stärker seien die Engländer von dieser Unterwanderung betroffen, weswegen die Deutschen gegen die Engländer Krieg führen müssten, um diese zu retten) Es ist dies das wohl durchgängigste antisemitische Topos; die Erzählung vom eigenen Opfer scheint Voraussetzung für die eigenen Taten zu sein. Nach den Taten werden diese selbst zu Erzählungen des Sich-Geopfert-Habens. So werden die ermordeten Juden zu Tätern und die wenigen Überlebenden von Auschwitz erzählen ihre Geschichten gegen die große Erzählung der sich selbst konstruierenden Opfer weitgehend ungehört. Genauso funktionieren heute die Erzählungen der Araber. Israel, dass seit seiner Gründung permanent angegriffen wird, kann erzählen und tun was auch immer, es ist der Aggressor in den Augen der Weltöffentlichkeit. Dabei spielt keine Rolle, dass Israel das Potential für eine Aggression gegen seine Nachbarn hätte, die für diese fürchterlich wäre. Nie zuvor ist ein bürgerlicher Staat so verantwortungsbewusst und defensiv mit seiner militärischen Überlegenheit umgegangen. Dennoch spricht die große Erzählung unserer Tage von Israel als dem Aggressor. Der Vernichtungswunsch gegen die Juden (nicht nur gegen die in Israel lebenden) von Al-Quaida, Hamas, Al-Aksa, Dchihad und Mullahs samt Achmadinedschad wird so in den westlichen Medien außerhalb Israels und der USA zum legitimen Widerstand der vermeintlichen Opfer stilisiert.

“Wer Jude ist, bestimme ich”, grölen die Antisemiten seitdem es Antisemitismus gibt. Bei Claß werden jedoch die Schwierigkeiten bei der Bestimmung am deutlichsten, da er konkrete Lösungen für gesellschaftliche Missstände aufzeigen will und nicht für ein Beispiel verlegen ist. “Die Rasse ist der Quell der Gefahren – die Religion spielt keine andere Rolle, als daß sie ein Ausfluß der Rasse ist.” Sagt Claß einerseits. (Kaiserbuch, S.35) Aber “Jude im Sinne des geforderten Fremdenrechts ist jeder, der am 18. Januar 1871 der jüdischen Religionsgemeinschaft angehört hat, sowie alle Nachkommen von Personen, die damals Juden waren, wenn auch nur ein Elternteil jüdisch war oder ist.” (Kaiserbuch, S.70) Sagt Claß andererseits und mogelt sich damit geschickt um eine Definition vom Begriff der jüdischen Rasse, die zentraler Punkt alles antisemitischen Wahns ist, herum. Er ist gezwungen, die Religion selbst als gegeben zu setzen. Erst dadurch ergibt sich für ihn die argumentative Möglichkeit eine “rassentheoretische” Blutlinie durch die Generationen zu ziehen: Wenn Claß nämlich nach seiner Definition, wer ein Jude ist, den Zeitpunkt (Stichtag) einer Prüfung offen lässt, können wir sein eigenes Beispiel, was er anführt, dass “als Jude behandelt” würde, “z.B. der Enkel eines im Jahre 1875 zum Protestantismus übergetretenen Juden, dessen Tochter einen Nichtjuden, z.B. Offizier geheiratet hatte”, benutzen um die Logik des Wahnsinns zu begreifen. Besagter Enkel wäre nach Claß´ Definition kein Jude, würde der Stichtag nur um fünf Jahre, auf 1876, verlegt. Dennoch lehrt Claß die Erfahrung, “dass solch ein Kind rassisch wirklich der ärgeren Hand folgt.” (Kaiserbuch, S.70)

Diese kleine Reise durch die jüngere Vorgeschichte der Menschheit soll hier genügen. Es wurde nach Auschwitz der Antisemitismus nicht besser, nur anders. Das was der Soziologe Werner Sombart den Juden als Eigenschaft meinte unterstellen zu können, ihre Fähigkeit sich zu wandeln, sich zu verstellen, ohne sich wirklich zu ändern, das zeigte sich nun als geniale Fähigkeit der Antisemiten: Sie wurden Philosemiten, die für einige Zeit ihren Antikapitalismus in die Mottenkiste packten. Zuerst packten ihn die Linken wieder aus. Die Juden (nicht die Israelis) wurden nach dem 6-Tage-Krieg zu den neuen Nazis. Die Passagiere in Entebbe wurden selektiert nach Juden und Nichtjuden - es sollte eine Aktion gegen Israel werden, es wurde eine der schlimmsten antisemitischen Aktionen nach Auschwitz. Die Rechten bestaunten noch ein wenig die militärischen Fähigkeiten der Israelis, die der Beweis waren, dass man es in Auschwitz mit ernstzunehmenden Gegnern zu tun hatte. Lassen Sie mich noch einen Witz erzählen, der an dieser Stelle gut passt: Ein Berliner Bauarbeiter kommt freudestrahlend zur Lohnarbeit. Die Kollegen fragen ihn nach dem Grund für seine Freude. Er antwortet: “In der BILD-Zeitung stand, die Israelis haben gestern 10 MIG´s abgeschossen.” Dies wiederholt sich die nächsten 5 Tage, nur die Anzahl der abgeschossenen MIG´s differiert. Am siebten Tag kommt unser Berliner Bauarbeiter völlig traurig und lustlos zur Lohnarbeit. Auf die Frage nach dem Grund für seine Trauer antwortet er: “Heute stand in der BILD-Zeitung dass die Israelis Juden sind.”

Von nun an konnten die Deutschen wieder Deutsch, das heißt Dank dem Antizionismus antisemitisch sein. Als die Deutschen begriffen hatten, dass für sie die Juden Nazis sind, begannen sie so zu tun als würden sie ihre Geschichte aufarbeiten. Am Ende dieses Fakes sind ein Film “Der Untergang” und ein Denkmal zu bewundern. Letzteres ist ein Ding, zu dem die Deutschen gerne gehen, wie gefordert vom letzten Bundeskanzler, der sich am Anfang seines Amtes schützend vor die deutsche Industrie stellte um die wieder einmal maßlosen Forderungen der amerikanischen Ostküste abzuwehren. Was letztendlich die Zwangsarbeiter bekamen ist ein Hohn. Die letzten Überlebenden von Auschwitz sind ebenfalls fast alle gezwungen unter unwürdigen Bedingungen die letzten Jahre ihres Lebens zu fristen während die deutschen Täter und ihre Kollaborateure materiellen Wohlstand bei guter Gesundheit dank üppiger deutscher Renten genießen. Die Täter, die heute in Deutschland die Renten genießen waren nach 1945 weiterhin als Volksgemeinschaft erfolgreich aktiv. Hatten sie ihr Ziel, die europäischen Juden zu ermorden, schon nur knapp verfehlt, waren sie noch erfolgreicher bei der Abwehr von Schuld und Erinnerung. Willi Brandts Kniefall war das Ende der politischen Macht der Nazi-Täter. Die nächste Generation wollte von Auschwitz ebenfalls nichts wissen. Auschwitz wurde nun aber Mittel zum Zweck. Erst galt es die Elterngeneration zu denunzieren, weil diese nicht freiwillig ihre Macht abgeben wollte. Später galt es auf der weltpolitischen Bühne ein gutes Bild abzugeben. Nicht die Leugnung deutscher Taten war länger gefragt, sondern das Prahlen mit Auschwitz und der angeblichen Verarbeitung der Schuld. Heute wächst in Deutschland eine Generation heran, der man lehrt Opfer zu sein. Das deutsche Leiden bei Bombardements und Vertreibung steht heute im Mittelpunkt medialer Erzählungen, ohne historischen Zusammenhang mit Auschwitz. Im Mittelpunkt familiärer Erzählungen am Küchentisch stand deutsches Leid immer.

In Lettland leidet man ähnlich kollektiv wie in Deutschland. Man kann hier die Juden deshalb nicht leiden, weil man insgeheim weiß, dass die Unabhängigkeit gar keine ist, weil sie mit völliger Machtlosigkeit einhergeht. Glück ohne Macht aber projizierten die Antisemiten schon immer auf die Juden. Und wer in Lettland würde schon zugeben, dass Lette sein etwas undefinierbares ist und für´s Leben eben soviel taugt wie Deutscher zu sein, nämlich rein gar nichts. So wie man hier am ehesten davon ausgehen muss, aus Gründen der Konkurrenz vom Letten erschlagen oder überfahren zu werden, kann man in Deutschland sicher sein, dass es ein Deutscher, oder einer der deutscher als die Deutschen sein will, ist, der einem an den Kragen will. Außerdem muss die scheinbare lettische Unabhängigkeit verteidigt werden als reale, weil sonst der Opferstatus flöten geht, den man sich nach langer Zeit sowjetischer Okkupation erworben hat. Dass man heute in Lettland der Meinung ist keine Mitschuld an Auschwitz zu haben, hat mit dieser verinnerlichten Opferrolle zu tun, die notwendig ist um sich als Nation verstehen zu können. Sartre aber reflektierte schon im Oktober 1944: „Keiner von uns ist unter diesen Umständen unschuldig, wir sind Verbrecher, und das Blut, das die Nazis vergossen haben, kommt auf unser Haupt.“ Bemerkenswert an Sartres pathetischen Worten ist, dass er von Kämpfern der Resistance spricht. Aber Sartres Worte haben keinen Letten angefochten und in Deutschland war sowieso Hitler an allem Schuld und auch der nicht so richtig, weil er eine schwierige Kindheit hatte. Wenn niemand Schuld ist, werden es wohl die Juden selber sein.

Es gibt meines Wissens bis heute an keinem der Orte des Grauens, dort wo das Unbegreifliche seinen Anfang hatte, ein vom Staat Lettland oder von Bürgern Lettlands gestiftetes Denkmal für die ermordeten Juden. Man ist sich hier deshalb sicher, dass es Aufgabe zuerst der Juden selbst ist, an das vor 66 Jahren Geschehene zu erinnern, weil man sich lange genug eingeredet hat, nie und nimmer Täter oder Zuschauer immer aber Opfer gewesen zu sein. Aus dieser kollektiven nationalistischen Abwehr jeglicher Reflexion und Aufklärung ergeben sich unterschiedliche Formen des modernen sekundären Antisemitismus. Wohlmeinende sprechen von konkreten Juden als von Angehörigen einer anderen Nationalität, ganz egal ob jene einen lettischen Pass in der Tasche haben. Nebenbei gibt es dann auch noch diesen simplen Alltagsantisemitismus. Nehmen wir als Beispiel Kuldiga. Leo May, in Kuldiga geborener Jude will Anfang der 90iger Jahre das Eigentum seiner Verwandten wiederhaben. Obwohl es in Lettland ein Gesetz gibt, dass es nicht nur Juden für kurze Zeit erlaubt, jenes zu tun, was May tun will, verweigert ihm die städtische Behörde dies. Er muss sein Recht vor Gericht einklagen! Seine Frau Hanna erzählte mir von den Schwierigkeiten eine Tafel an der hiesigen Musikschule anzubringen, auf der nichts weiter steht als dass sich bis 1941 in diesem Gebäude die jüdische Grundschule befand. Die Tatsache, dass es der energischen Intervention von Hanna May bedurfte, dass aus der Synagoge von Kuldiga kein Nachtclub wurde, ist an Geschmacklosigkeit zwar zu überbieten, aber völlig ausreichend, dass niemand mehr an Antisemitismus denkt. Denken, verstanden als Reflektion des Geschehenen, wird nach Auschwitz generell verweigert. Mit der Weigerung aber entsteht ein neurotisches Schuldgefühl, dass zur Leugnung des geschehenen Massenmordens führt. Adorno schrieb deshalb, „dass eigentlich nur der von neurotischem Schuldgefühl frei ist und fähig, den ganzen Komplex zu überwinden, der sich selbst als schuldig erfährt, auch an dem, woran er im handgreiflichen Sinne nicht schuldig ist.“ In Kuldiga wird Auschwitz bis heute geleugnet. In einer jüngst hier erschienenen Broschüre wird die Geschichte der Synagoge bis zum Jahre 1941 erzählt. Dass die Synagoge 1941 letzter Sammelpunkt für die Juden der Stadt war, bevor sie auch von Kuldigaer Bürgern zu den Plätzen der Massenerschießungen getrieben worden, kann deshalb nicht erzählt werden, weil damit dem nationalen Wahn Schaden zugefügt würde. Auch ist der Prozess der Regression hier wie anderswo soweit fortgeschritten, dass niemandem mehr etwas anderes einfällt als aus der Synagoge eine Bibliothek zu machen. Die Gründe, warum niemand das Gebäude so gestalten will, dass an der eigenen Schuld nicht vorbeikommt, wenn er an der Synagoge vorbeikommt, sind genannt.

Aber wie kommt der Antisemit zu seinem Antisemitismus? Weil er nicht weiß, wie die Juden in Wirklichkeit sind? Geschenkt! Jeder Antisemit, der etwas auf sich hielt, hielt sich einen Juden als Freund. Heute ist fast jeder Antisemit schon einmal in Israel oder in New York gewesen, den beiden Orten in der Welt wo es unmöglich ist, keinem Juden zu begegnen. Um uns der Antwort zu nähern müssen wir kurz alle zu Historikern werden. (Die meiner verehrten Zuhörer, die es eh schon sind, bleiben bitte was sie sind) Den gemeinen Judenhass gibt es so lange, so lang Hände Waren zum Tauschen produzieren, während es Juden weitgehend verboten ward selbiges zu tun. Geld war also nahezu die einzige Ware, die Juden „produzieren“ durften. Und weil die eigentliche Herstellung des Geldes Adel und Klerus oblag, blieb den Juden nur der Handel und der Geldverleih. Dabei erschien es den Leuten, als wäre wie von Zauberhand aus Geld mehr Geld geworden. Reichtum ohne Arbeit ist somit ein weiteres wichtiges antisemitisches Stereotyp bis heute, das auf pathischer Projektion beruht. Projektion ist die Form normalen menschlichen Zusammenlebens. Der Autist kennt sie nicht. Pathisch wird sie, wenn uneingestandene, ins Unbewusste verdrängte Wünsche auf andere projiziert werden. Die Tatsache, dass es die Herrschenden waren, Adel und Klerus, die ihren Reichtum ohne Arbeit genossen, musste weitgehend verdrängt werden, weil der verinnerlichte Zwang des Verzichts auf unmittelbare Triebbefriedigung den Menschen vorgaukelte, Herrschaft sei etwas naturwüchsiges, gottgegebenes. Die Unterdrücker zu töten ist gegen Gott, die Juden zu schlachten, wird von den Herrschenden, und somit auch von Gott, hin und wieder zugelassen. Im Pogrom erfährt die angestaute Wut ihre Abfuhr. Der Nebeneffekt des Pogroms ist die Entschuldung durch den Tod der Gläubiger.

Was den Landarbeitern nicht gelingen kann, gelingt dem Bürgertum, das, reich geworden durch Handel, mit der Mechanisierung der Produktion Produktivkräfte entwickelt, die die alten feudalen Produktionsverhältnisse ad absurdum führen. Mit der massenhaften Warenproduktion entsteht ein unpersönliches Herrschaftsverhältnis. Das Ende der Macht von Adel und Klerus ist zugleich das Ende jeglicher persönlicher Macht. Anstelle Adel und Klerus tritt vermeintlich das Bürgertum, in Wirklichkeit jedoch das Kapital. Für die Lohnabhängigen, wie für die Eigentümer der Produktionsmittel werden die Herrschaftsverhältnisse undurchschaubar. Aber sie durchdringen alle Lebensverhältnisse der Menschen, noch zuletzt die Liebe. Balzac war der Meister der Beschreibung dieser fundamentalen Wandlung der menschlichen Beziehungen. Was aber geistig nicht durchdrungen, intellektuell nicht durchschaut wird, lässt die Menschen ihr Heil in der Irrationalität suchen. Die Juden waren prädestiniert durch die Geschichte feudaler Herrschaft die Objekte des Hasses auf die neuen Herrschaftsverhältnisse zu werden. Aufklärung aber sucht nach beweisbaren Tatsachen. Im Schädelmessen des 19. Jahrhunderts schlägt sie um in Barbarei. Die zu beweisende Rassentheorie wird von der Wissenschaft bewiesen. Die Neger werden gerade noch so über den Affen stehend eingestuft, die Juden aber werden zur durchtriebenen Rasse erklärt mit der Fähigkeit vermittels des Geldes die Welt zu unterwandern und unsichtbar zu beherrschen. Die Menschen erklären sich Kapital als persönliches Herrschaftsverhältnis in dem sie die Juden konstruieren. Trotz aller vom alten Judenhass übernommenen Stereotype konstruiert der Antisemitismus die Juden vollkommen neu als Gegenrasse und projiziert die eigenen Vernichtungsfantasien auf die Juden. Anstatt die Produktionsverhältnisse, die die Menschen in nationale Kollektive zwingen, zu ändern um endlich als Individuen ohne Angst verschieden sein zu können, erklären sich die Menschen ihre Ängste mit der Existenz der Juden. Der moderne Rassenantisemitismus etabliert eine Form des Meinens, die wenig später die sich aus den überkommenen gesellschaftlichen Verhältnissen etablierende Kulturindustrie bestimmen wird. Der klägliche Rest des Individuums konsumiert deren Ergebnisse wie der Süchtige das Heroin, denn hier wird die Meinung produziert, die alle haben und die sich aus der Uniformität des wirklichen Lebens nicht mehr gewinnen lässt. Die Ahnung aber, dass der Betrug am eigenen Leben nicht gänzlich zu vertuschen ist, wird im Meinen von außen sichtbar. Gleichzeitig unterdrückt das Individuum im Meinen diese Ahnung und huldigt dem Narzissmus. Im kollektiven völkischen Gleichschritt wird daraus die kalte Gewalttat, die gegen die Personifikation des abstrakten Prinzips des Tausches rebelliert und sich dabei gleichzeitig des Wohlwollens der Autoritäten versichert.

Das Meinen hat mit dem Denken nichts gemein. Den Antisemitismus als Denkform zu adeln verkennt das geschlossene Wahnsystem das er ist. Freud untersuchte die Entstehung dieses Wahnsystems im Individuum und wies zugleich nach, dass die Ursachen gesellschaftliche sind. Was einmal nur äußerer war, wird mit jedem Tauschakt ein wenig mehr verinnerlichter Zwang. Was als kulturelle Leistung angesehen wird, das Begehren zu beherrschen, den Besitzer des begehrten Dinges nicht einfach tot zu schlagen, sondern ein Äquivalent anzubieten, schlug in dem Moment um in Barbarei, als die Produktivkräfte soweit entwickelt waren, dass sie gesellschaftlichen Reichtum im Überfluss produzierten, der den Tausch überflüssig werden lässt. In jedem Tauschakt wird jedoch nach wie vor suggeriert, es herrsche Mangel. Dieser wird begründet mit der Macht des Geldes, die losgelöst vom Produktionsprozess gesehen wird und in den Juden personifiziert wird. Was nicht gelang, das Kapital als gesellschaftliches Verhältnis abzuschaffen und allen Menschen Zugang zu den benötigten Produkten menschlicher Arbeit zu ermöglichen, erzeugte die kalte Wut auf die konstruierte abstrakte Seite des Kapitals. Auschwitz war idealisierte konkrete Arbeit, ordentlich, sauber, pünktlich, gewissenhaft und emotionsfrei ausgeführt, und auch Revolution gegen das als abstrakt empfundene Finanzkapital.

Mit Auschwitz sind die Menschen endgültig zu Barbaren geworden, die ihre total verdinglichten Beziehungen als Ende der Geschichte begreifen. Man dünkt sich zivilisiert und ist elitär und erwartet die Endlösung als Erlösung von Israel und den USA vom islamischen faschistischen Mob, der sich der alten ideologischen Schriften der Antisemiten und des Korans bedient. Zwei Formen des Wahnsinns also, die sich perfekt ergänzen. Das Insistieren von Hamas auf die angebliche Umweltverschmutzung durch Israel korrespondiert mit dem alten Stereotyp vom Juden als Brunnenvergifter, ist aber heute nicht mehr als eine wohlfeile Zugabe zum eliminatorischen Antisemitismus.

Warum man sich in Europa, Asien, Afrika, Südamerika mit den Dshihadisten identifiziert und solidarisiert ist nur zu verstehen, wenn man den Fortschritt der gesellschaftlichen Regression unterm Kapital analysiert. Doch wer will schon gerne hören, wie falsch das Leben ist, in dem es schon lange kein richtiges mehr geben kann.

Und dennoch ist daran festzuhalten, was Adorno auch gesagt hat, „sich weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht dumm machen zu lassen.“



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